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Fluss und Wald der Taiga

Eine Bootstour in Westsibirien

von Felix Tietje

Dieser Text ist Teil der Reiseberichte vom Westsibirien-Austauschprojekt des niedersächsischen Jugendumweltnetzwerks JANUN. Weitere Informationen zum Projekt sind auf der Projektwebseite zu finden: hier.


Der dritte Teil unserer Sibirien-Reise nach Jugra in den Autonomen Bezirk der Chanty und Mansi (CHMAO) versprach "wild" zu werden: Mit Booten sollten wir für sechs Tage auf dem Fluss unterwegs sein und an verschiedenen Orten im Wald übernachten. Wir kamen am 18. August aus dem Dorf Chullor vom Parlament der Kleinen Völker und am gleichen Tag sollte es noch am späten Nachmittag aufs Wasser gehen. Wir hatten ca. zwei Stunden, um unser Gepäck vorzubereiten. Die Geschenke, Bücher und Andenken vom Parlament lagerten wir im Dorf Kazym, ebenso alles, was man im Wald nicht brauchen kann. Dann ging es zum hinteren Ende des Dorfes ans Ufer des Flusses Angnja. Zuerst mussten dort die Boote beladen werden. Es gab vier Boote, bzw. eigentlich waren es sogar fünf, denn eines war eine Katamaran-Konstruktion: Zwei lange Fischerboote aus Holz waren mit drei Baumstämmen nebeneinander gebunden worden. Auf die Balken wurden Bretter genagelt, so dass eine Ladefläche von ca. fünf Quadratmetern entstand, auf der unser Gepäck aufgetürmt werden konnte.

Boote
Katamaran und Boote.

Neben diesem Katamaran gab es noch ein weiteres einzelnes Holzboot gleicher Bauart und zwei kleine Motorboote aus Metall. Die Gepäckstücke und Proviant wurden aufgeladen, und wir wurden von unseren Gastgebern aus Kazym mit Schwimmwesten, Regenzeug und dicker, warmer Kleidung ausgestattet. Man meinte es wirklich gut mit uns, so dass einige im Anschluss sehr dick ausgepolstert waren, damit auch bloß niemandem kalt wird. Russische Gastfreundschaft scheint manchmal keine Grenzen zu kennen.... Zunächst erschien uns das als übertrieben fürsorglich, aber für Mäntel und Regenzeug sollte sich im Laufe der Fahrt dann noch gute Verwendung finden.

Zu der Bootsladung gehörten auch Zelte und ca. 20 Rentierfelle mit denen das Boot ausgelegt wurde, so dass man dort schön kuschlig gemütlich sitzen konnte - bis kurz nach dem Ablegen vom Ufer. Denn als der Katamaran mit seinen zwei Außenbordmotoren bei Vollgas beschleunigte, wurde die Bugwelle höher, bis aufgrund der Holzbalkenkonstruktion am hinteren Drittel der Bordwand ein großer Schwall Wasser in beide Bootsrümpfe hineinschwappte. Einige Leute, die hinten saßen, bekamen plötzlich nasse Füße und Hintern, und die Rentierfelle, mit denen das Boot ausgelegt war, wurden patschnass. Bei dem kühlen Wetter war das kein so optimaler Beginn für die Tour. Wir ließen uns die gute Laune aber dadurch nicht trüben, Jakov schoss mit seinem Gewehr Salut und mit langsamerer Geschwindigkeit fuhren wir nun um die erste Flussbiegung. Offenbar hatten unsere beiden Steuermänner die maximal fahrbare Geschwindigkeit bei voller Beladung überschätzt - der Katamaran lag mit ca. 16 Personen und seinem Gepäckberg doch ziemlich tief im Wasser. Die Bordkante war manchmal nur eine Handbreit über der Wasseroberfläche. Fortan konnte der Katamaran also nur noch mit gedrosselter Geschwindigkeit fahren, während die anderen drei Boote meist vorausfuhren und die Lagerplätze aufsuchten, um dort z.B. schon mal Feuer zu machen und zu kochen.

Insgesamt kamen ca. 35 Menschen mit auf die Bootstour. Wir legten bei beginnender Dämmerung ab und das Dorf Kazym war schon bald nicht mehr zu sehen, da die Flüsse in vielen Windungen und Schleifen verlaufen und man deshalb nur selten mehr als 500 Meter weit schauen kann. Uferbefestigung oder -begradigung, wie man sie beinahe überall in Europa findet, gibt es hier nicht: Der Fluss sucht sich frei seinen Weg und auf einem Satellitenbild kann man erkennen, dass offenbar regelmäßig neue Flusswindungen entstehen und andere Kurven verlanden.

Kazym_Sat Kazym liegt 70 km östlich vom Fluss Ob - bei 63° 66' nördlicher Breite und 67° 23' östlicher Länge.

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Uns wurde auch erzählt, dass die Flüsse im Frühjahr mit der Schneeschmelze stark anschwellen und deutlich tiefer seien, so dass dann auch größere Schiffe von der Mündung aus weit ins Landesinnere fahren können. Im Winter dagegen, wenn die Flüsse bei bis zu -50 °C zufrieren, dienen die Flüsse als "Simniks", Winterstraßen für Autos oder Motorschlitten in der ansonsten von nur wenigen Straßen durchzogenen Taiga des sibirischen Nordens.

Im Frühjahr entstehen durch die Massen an Schmelzwasser auch manchmal Sümpfe, wo vorher Wald war. Dies konnte man an manchen Sumpfgebieten erkennen, in denen noch Gerippe von Bäumen standen, für die der Boden zu feucht geworden war. Die ganze Landschaft wandelt sich also langsam, aber ständig, genau wie die Flüsse, in denen ununterbrochen Wasser in Richtung arktisches Meer fließt. Die Region bildet das größte zusammenhängende Sumpfgebiet der Erde.

An diesem ersten Abend fuhren wir vom Dorf Kazym auf dem Fluss Angnja bis zu dessen Mündung in den Fluss Kazym. An dieser Stelle, wo sich die beiden Flüsse vereinigen, wurde ein Ritual vollzogen: Das Boot fuhr auf der breitesten Stelle der Flussmündung einmal im Kreis, und zwar in der Richtung, in der die Sonne über den Himmel wandert. Dabei warfen wir alle eine Münze in das Wasser. Das brachte uns Glück und schützte unsere Bootsreise auf dem Fluss.

Auf dem Kazym fuhren wir dann gegen die Strömung flussaufwärts, wodurch unsere ohnehin schon geringe Geschwindigkeit noch weiter reduziert wurde. Mit ca. einem Meter pro Sekunde tuckerten wir nun also den Fluss hinauf, bis zu einem Lagerplatz, der an einem der vielen Seitenarme des Kazym im Wald versteckt lag. Es ist ein Sommerlager, wo regelmäßig Camps für Jugendliche stattfinden. Es gibt dort zwei Blockhütten, eine überdachte Küche und einen langen überdachten Tisch, zwei kleine Lagerhäuschen auf hohen Pfählen für Lebensmittel, ein Volleyballfeld, eine Waschstelle, Plumpsklos und natürlich eine kleine Banjahütte, bei der die Holzbalken mit Flechten abgedichtet waren. Außerdem war ein Chum aufgebaut, eines der traditionellen Zelte. Dieses Sommercamp bildete unser Basislager für die Bootstour. Wir richteten unsere Schlafplätze her, dann gab es Essen. Da es schon spät und feucht und mückig war, gingen viele danach direkt ins Bett, nur einige saßen noch ums Lagerfeuer.

Die jungen Menschen, die im Sommer zu diesem Camp kommen, sollen durch pädagogische Arbeit mit dem Leben in und mit dem Wald vertraut werden, und so den Kontakt zur traditionellen Lebensweise aufrechterhalten. In der mit uns reisenden Gruppe waren auch einige, die das traditionelle Leben wertschätzen und die Traditionen pflegen wollen. Oft jedoch wachsen Jugendliche in den Dörfern Sibiriens ohne eine solche Perspektive auf. Viele junge Menschen wandern in die größeren Städte ab, und so wird es zunehmend schwieriger für die Kleinen Völker Sibiriens, die alten indigenen Traditionen auch in modernen Zeiten lebendig zu erhalten.

Von diesem Basislager aus machten wir am nächsten Tag eine Tagestour und ließen unser Gepäck im Lager. Wir fuhren zu zwei Rentierzüchtern, einem alten Mann, der zusammen mit seinem ca. dreißigjährigen Sohn relativ abgelegen im Wald lebte. Von der Stelle, wo wir mit den Booten anlegten, mussten wir erst eine halbe Stunde durch den Wald laufen, um zu der Hütte der Rentierzüchter zu gelangen. Dort war am Rande eines Moores eine große Lichtung und ringsum war ein Holzzaun - aber keine Rentiere. Wir erfuhren, dass die Tiere die meiste Zeit des Jahres frei im Wald lebten und meistens nur im Winter zum Lager kämen, wenn sie kaum noch was zu Fressen finden, oder im Frühjahr, wenn die Mücken zu arg werden. Ansonsten sind es noch echte Wildtiere.

Huette
Die Hütte der Rentierzüchter.

Die Hütte der beiden Männer war recht bescheiden und sehr traditionell, ein einziger kleiner Raum mit simpler Ausstattung, dazu traditionelles Werkzeug und Material aus Birkenholz und Birkenrinde. Ein Winterschlitten, ein Backofen und eine Banja. Mit einer Fischreuse fangen sie ihr Hauptnahrungsmittel - getrocknete Fische hingen auf Schnüren um die ganze Hütte herum. Außerdem zeigten sie uns eine Kleintierfalle, von denen sie im Umkreis mehrere angelegt hatten: Zwei kleine Baumstämme über einem schmalen Durchgang aus Holzpflöcken. Diese Stämme wurden mit einem Hebelmechanismus angehoben und verkeilt, und sobald ein Tier auf das Keilholz unter den Baumstämmen trat, fallen diese auf das Tier drauf - aus die Maus, bzw. das Wiesel, der Marder, Hase, oder was immer sich gerade darunter befand. Etwas martialisch, aber wirksam. Die Felle der Tiere können dann verarbeitet oder verkauft werden.

Falle
Demonstration der Kleintierfalle.

Beim Kennenlernen der Selbstversorger-Lebensweise dieser beiden Männer stellte ich mir die Frage, wie es wohl wäre, dort so länger im Wald zu leben? Auf den ersten Blick wirkte es romantisch, es erinnerte mich an Henry David Thoreaus Beschreibungen in seinem Buch "Walden". Aber deutlich wurde auch, dass es für unsereins ein entbehrungsreiches, arbeitsreiches und einsames Leben sein würde. Und jetzt, im Sommer, wirkte der Wald lebendig und voller Nahrungsquellen - aber wie ist es dann während der kalten, langen Winter? Auch die vegetarische Lebensweise würde ich da sicher noch mal überdenken. Der Reiz des ursprünglichen, simplen Lebens ist also da, aber auch die Schwierigkeiten und Gefahren....

Bei einem darauffolgenden Spaziergang durch den umliegenden Wald besuchten wir noch die Überreste einer alten Einsiedelei, die dort vor ca. 100 Jahren existiert hatte: Es waren Spuren von alten Holzhäusern zu sehen. Dann kehrten wir zurück zum Fluss und fuhren mit den Booten wieder zum Basislager. Dort verbrachten wir einen schönen Abend am Lagerfeuer. Am nächsten Tag hatten wir einige Zeit im Lager, bevor es am Nachmittag wieder in die Boote gehen sollte. Wir konnten spazieren gehen, Fischen, Volleyball und Kubb spielen. Ich hatte während des Parlaments der Kleinen Völker aus Hölzern ein Kubb-Spiel hergestellt, welches wir nun unseren Gastgebern zeigten - das Schöne daran war, dass man die Regeln auch erklären kann, ohne Russisch zu sprechen! Fortan folgte ein Kubb-Spiel dem anderen, sobald etwas freie Zeit da war.

An diesem Vormittag packten wir auch einen Teil unserer Sachen aus, um für die nächsten drei Tage mit leichtem Gepäck auf dem Fluss unterwegs sein zu können. Mit dem geringeren Gewicht würden die Boote schneller fahren können und auch nicht so tief im Wasser liegen. Den überflüssigen Ballast lagerten wir beim Basislager in den Vorratshäuschen ein. Diese Stelzenhäuschen werden Labas genant, darin ist alles vor Tieren sicher aufgehoben. Dann verteilten wir uns wieder auf die Boote und fuhren ein weites Stück den Kazym flussaufwärts, und genossen dabei die Schönheit der Landschaft. Schwierig zu sagen, wie viele Flusskilometer es waren - ungefähr 20? Oder 30? Flussentfernungen werden dort einfach in der Anzahl der Kurven angegeben. Wenn wir also unsere Steuerleute fragten, wie weit wir heute noch fahren würden, lautete die Antwort z.B. "noch 20 Kurven" - das konnte dann bedeuten: noch zwei Stunden, oder noch vier Stunden, je nachdem. Das war auch gar nicht so wichtig.... Wir stellten schnell fest, dass die Menschen hier ein anderes Zeit- und Raumempfinden haben als wir. Man kommt an, wenn man ankommt, Termine gibt es nicht. Diese Gelassenheit erschien mir recht typisch für das Leben in Westsibirien. Man ist entspannt. Genau wie beim Zugfahren in Russland oder wenn mal ein Bootsmotor verreckt...

Die ganze Gegend, in der wir unterwegs waren, ist den Menschen dort auch gut vertraut, während für uns der Wald an vielen Stellen ziemlich gleich aussah (Birken und Kiefern, Preiselbeeren und Pilze, Sandboden und Flechten) und wir den Eindruck hatten, dass wir uns irgendwo Mitten in der Wildnis befänden und uns schnell verlaufen könnten.... Dabei war es offensichtlich noch gar nicht so wild, es ist nur alles wesentlich großräumiger als in Europa. Ein Waldstück oder ein Sumpfgebiet geht mal eben bis zum Horizont und durch diese endlose Weite, die man oft sieht, bekommt man schnell den Eindruck, sich Mitten im Nirgendwo zu befinden. Doch dass wir gar nicht soo weit draußen waren zeigte sich z.B. daran, dass es viele Trampelpfade gab und dass man mitten im Wald oft Mobiltelefone nutzen konnte, was auch die Einheimischen durchaus regelmäßig taten, vor allem die Jugendlichen. Durch die jeweilige Stärke des Netzempfangs wurde das Telefon zu einer Art Zivilisationsmessgerät.... Die Bevölkerungsdichte in diesem Teil Sibiriens beläuft sich auf bloß 2 Einwohner je Quadratkilometer - zum Vergleich: in Deutschland leben auf einem Quadratkilometer durchschnittlich 231 Menschen.

Die Menschen, die in enger Verbindung mit diesen borealen Wäldern leben, haben jedoch eine andere Wahrnehmung von der Natur - dies stellten wir zu verschiedenen Zeitpunkten unserer Bootstour immer wieder fest.

Ein Beispiel dafür war das Messer, das einer aus der deutschen Gruppe beim Laufen verloren hatte: Wir kamen zwei Tage nach dem Verlust noch mal an dem Ort vorbei, an dem das Messer irgendwo verlorengegangen war. Einer der sibirischen Jugendlichen lief mit uns los, um es zu finden. Nach 500 Metern durch den Wald zeigte er auf unsere Fußspuren von vor zwei Tagen, deutlich war im Sand zu sehen, das wir hier gelaufen waren. Und auch das Messer wurde direkt wiedergefunden, als wäre es nur mal eben aufm Wohnzimmertisch liegengeblieben. Das Waldstück, das auf uns wild und eher unberührt wirkte, war den Einheimischen offensichtlich genau bekannt, ihnen fiel die Orientierung hier offenbar viel leichter. Für uns sahen die Waldstücke oft über Kilometer hinweg ziemlich gleich aus: Birken, Kiefern, ein Sumpf und wieder Birken.

Doch der Wald war nicht überall gleich: Unser Gastgeber und Gruppenleiter Jakov erzählte uns während der Fahrt mit dem Boot bisweilen Geschichten, immer wenn wir an bestimmten Orten und Plätzen im Wald vorbeikamen. Er wies uns z.B. auf Stellen hin, an denen vor 20 Jahren ein Waldbrand war, dessen Spuren noch heute sichtbar sind. Oder er erwähnte die heiligen Orte, die jede traditionell lebende Familie im Wald hat. Die Gebietszugehörigkeit der Menschen, das was sie selbst als "Zuhause" empfinden, richtet sich nach dem Einzugsgebiet der Flüsse. Jeder größere Flussarm stellt also eine kleine Region für sich dar, und jeder dieser Flüsse hat eine eigene Flussgottheit. Das Land ist also gar nicht so grenzenlos und wild wie es für Unwissende scheint. Alle Flussabschnitte haben für die dort lebenden Menschen eigentlich immer historische oder religiöse Bedeutung.

Einmal machten wir einen Spaziergang zu einem uralten, heiligen Baum - der jedoch inzwischen tot war und nur noch als nacktes Holz in der Erde wurzelte. Unsere Aufmerksamkeit lenkten unsere Gastgeber hier besonders auf die Dicke des Stammumfanges - und wirklich war es für den Wald in diesem Land ein besonders dicker Baum. Aber man konnte ihn mit drei Menschen umfassen und wir verschwiegen aus Höflichkeit, dass das im Vergleich zu westeuropäischen Stämmen bloß ein Durchschnittsbaum wäre...

Ein anderes Beispiel für die besondere Wahrnehmung des Waldes wurde uns auch von Jakov anvertraut: Bei Waldbränden könne man natürlich entstandenes Feuer von Bränden unterscheiden, die von menschlicher Hand ausgingen: das menschengemachte Feuer würde einfach über Trampelpfade und Wege hinweg brennen, während der Wald bei einem natürlichen Feuer, wie es z.B. durch Blitzschlag entstehen kann, immer nur innerhalb von Weggrenzen abbrennen würde und bei so einem Trampelpfad aufhören würde.

Diese Erklärung war für uns etwas schwer zu begreifen, aber es gab keinen Zweifel daran, dass Jakov von der Richtigkeit dieser Beobachtung überzeugt war. Seine Schilderungen und meine Beobachtungen der Lebensweise der Menschen in diesen Wäldern beschäftigte mich die ganze Bootstour über sehr. Auch manchmal ohne Übersetzung der russischen Erklärungen, sondern einfach durch Erleben der Natur, durch Spüren und das Zusammensein in so einer größeren Gruppe war ich nach kurzer Zeit von dem Waldleben in der Taiga fasziniert.

Doch unsere Wahrnehmung veränderte sich auch in den Tagen der Bootstour: Nach ein paar Tagen in der Stille des Waldes fällt einem plötzlich ein Hubschrauber oder ein Flugzeug sofort auf, sobald so etwas am Himmel zu hören oder zu sehen ist. Und als wir einmal auf dem Fluss unter einer Hochspannungsleitung durchfuhren, die als endlose Schneise den Wald durchzog, war das ein merkwürdiger Blickfang.

Es war zu merken, dass die kulturellen Unterschiede zwischen unserer Reisegruppe und den relativ traditionell lebenden Waldleuten vielleicht doch größer sind, als man schnell annehmen konnte. Auf den ersten Blick gab es viele Ähnlichkeiten und sichtbare Unterschiede waren zwar da, aber nicht so gravierend, dass man nicht mit ihnen umgehen könnte. Aber die subtilen Unterschiede in der Wahrnehmung, im Erleben des Anderen, in der Kommunikation und der gemeinsamen Kooperation haben dann doch relevante Auswirkungen. Diese waren schwer greifbar und sorgten dennoch manchmal für Irritation bei uns Besuchern. Und: Die Einheimischen schienen viel schneller Wir-Gruppen zu bilden, als es zumeist in westeuropäischen Gesellschaften der Fall ist. Für das Leben in Sibirien ist es auch wichtig, dass man viel gemeinsam macht. Individualität hat eine andere Bedeutung.

Unsere Gruppenältesten hatten immer Gewehre dabei, um eventuell auftauchende Bären verjagen zu können - jedoch sahen wir auf der ganzen Fahrt keinen einzigen Bären. Sie kommen vor allem im Winter in die Nähe von Menschen, wenn es im Wald nicht mehr so leicht etwas zu Fressen gibt. Wir entdeckten einmal Elchspuren im Sandboden, aber auch diese Tiere bekamen wir nicht zu Gesicht. Die größten Wildtiere, denen wir begegneten, waren Eichhörnchen, diese wuselten in großer Zahl auf den Bäumen herum. Außerdem sahen wir viele Vögel, verschiedene Greifvögel, Kormorane und viele Möwen.

Mücken sind dort wohl die allerhäufigsten Lebewesen - man hatte nur ab und zu ruhige Minuten, z.B. wenn mal etwas Wind aufkam oder sich die Temperatur änderte. Oder während wir mit den Booten unterwegs waren und die fliegenden Viecher abhängten. Ansonsten hatten wir pausenlos Mücken oder die kleineren Beißfliegen auf jeder unbedeckten Stelle des Körpers sitzen. Bereits nach dem ersten Tag hatte man kaum noch eine offene Hautfläche, die von Blutsaugern verschont geblieben war. Insbesondere auf den Händen, im Gesicht und im Nacken nervten mich die Stiche. Die Anti-Mücken-Mittel die mit Geruch die Mücken abhalten sollten, brachten meist nur für eine halbe oder dreiviertel Stunde etwas Ruhe, aber auch das hielt manche der Biester nicht ab, uns Blut abzuzapfen.

Es half eigentlich nur, sich permanent zu bewegen oder ständig mit den Händen die Insekten zu verscheuchen. Möglichst viele von ihnen zu töten blieb ein endloses Unterfangen. Am besten ist wohl: Geduld und sich nicht mehr davon nerven zu lassen. Und vor allem: Nicht an den Stichen kratzen, sonst hat man den Körper schnell mit kleinen offenen Wunden übersät. Auch was die Mücken anging, hatten die Einheimischen einfach mehr Erfahrung: Wahrend wir meist sehr bedeckt herumliefen, gab es dort Jugendliche, die einfach im T-Shirt draussen unterwegs waren, offensichtlich ohne dies als besonderen Nachteil zu empfinden. Vermutlich reagiert der Körper auch weniger allergisch auf das Mückengift, wenn man bereits damit aufwächst.

Wir erlebten richtigen, ursprünglichen Wald, keinen Forst. Hier wurde nichts aufgeräumt, Totholz lag überall herum und mit Brennholz für unser tägliches Lagerfeuer brauchte nicht gespart zu werden. Flächen an denen Abholzung stattfand sahen wir keine - mit Ausnahme der zwei Schneisen für Hochspannungsleitungen und Gaspipelines die wir querten.

Obwohl wir noch nicht soo weit nördlich waren (noch südlich des Polarkreises, ungefähr auf dem 64. nördlichen Breitengrad) ist die Natur schon deutlich von der polaren Kälte geprägt: Acht Wintermonate verlangsamen das Leben und die ca. vier Monate, in denen alles wachsen und gedeihen kann (die sogenannte Vegetationsperiode) gehen schnell vorüber. Im Dezember ist es für einen Monat komplett dunkel, im Juni dagegen für einen Monat ununterbrochen hell. Im Oktober fällt meist der erste Schnee und bis April oder sogar Mai ist dann alles eingefroren. Alle Pflanzen und Bäume wachsen deshalb nur relativ langsam, die Bäume werden nur etwa 15 Meter hoch. Im Vergleich z.B. mit den bis zu 40 Meter hohen und kräftigen Buchen in deutschen Wäldern wirken auch die ältesten sibirischen Bäume also eher klein und dünn. Und auch die hier lebenden Menschen sind meist von etwas kleinerem Wuchs - das führte dazu, dass wiederholt über die Körpergröße der Frauen in unserer Reisegruppe gestaunt wurde.

Ufer
Unbefestiges Flussufer mit Sandboden, gut zu erkennen ist hier auch die dünne Vegetationsschicht des Waldbodens.

Die Vegetationsschicht des Waldbodens ist ziemlich dünn: Der Sand ist mit einer nur 15-20 cm Zentimeter dicken Humusschicht bedeckt. Die Bäume wurzeln also auch nicht tief in diesem nährstoffarmen Boden. Unterholz, Büsche und Sträucher gibt es nur selten, weswegen das Waldbild manchmal recht kahl wirkt, aber beinahe überall ist der Boden dicht mit kleinen Pflanzen bedeckt, ganz häufig mit der typischen Rentierflechte, die diesen Namen trägt, weil sie auch das Hauptnahrungsmittel der Rentiere darstellt. Flechten sind keine Pflanzen, sondern eine symbiotische Lebensgemeinschaft aus Pilzen und Algen. Sie wachsen nur wenige Millimeter pro Jahr, aber im Sommer, wenn dieser fein verästelte Bodenbewuchs austrocknet, ist er leicht entzündlich. Einmal abgebrannt regeneriert sich der Flechtenboden nur sehr langsam wieder.

Flechten
Flechten.

Das gesamte Ökosystem ist also recht empfindlich und jede Zerstörung z.B. durch Waldbrände oder Abholzung ist für viele viele Jahre sichtbar. Auch ein einmal entstandener Trampelpfad durch den Wald, dort wo regelmäßig Menschen für eine Zeit langgehen, bleibt dann Jahrzehnte lang bestehen, auch dann, wenn er schon längst nicht mehr benutzt wird. Dadurch, dass das Ökosystem so verletzlich ist, bietet es also einen sensiblen Anzeiger für die Veränderungen, die durch die Einflüsse der Menschen geschehen. Durch die relative Kargheit ist hier alles direkter miteinander verbunden und so wird schnell sichtbar: Alles hängt mit Allem zusammen. Wer hier leben und auf Dauer überleben will, merkt schnell, wie angewiesen man auf ein intaktes Ökosystem ist.

Trampelpfad
Trampelpfad.

Trotz der klimatisch bedingten Langsamkeit der Entwicklung bringt der Wald in den kurzen Sommermonaten ein gutes Nahrungsangebot für Menschen und Tiere hervor: Preiselbeeren und Blaubeeren gibt es ohne Ende und auch Pilze sind in größeren Mengen schnell gefunden. Die Natur ist in weiten Teilen noch ziemlich unberührt und durch die geringe Besiedelung der Wälder wird von diesen Früchten auch nur relativ wenig abgeerntet. Eine weitere Frucht mit der wir Bekanntschaft machten war der Zapfen der sibirischen Zirbelkiefer (Pinus Sibirica, wird in Russland "Kedr", also "Zeder" genannt). Als wir Abends am Lagerfeuer saßen, wurden die Zapfen frisch vom Baum geschüttelt, indem man einen schweren Holzbalken gegen den Stamm schlug und so Erschütterungen auslöste, so dass die reifen Zapfen herunterfielen. Sie wurden dann im Feuer geröstet. Durch das Feuer verschwindet das klebrige Harz und die weichen Kerne bekommen ein feines, nussiges Aroma.

Zusammen mit der Zirbe ist die häufigste Baumart die Birke. Sie ist traditionellerweise ein heiliger Baum, was sich auch in der vielfältigen Nutzung ausdrückt: Aus der Rinde können Gefäße aller Art hergestellt werden, z.B. Dosen, Tassen, Tragetaschen, Sammelkörbe und Teller. Genutzt wird sie auch für Theatermasken. Außerdem brennt Birkenrinde auch dann sehr gut, wenn sie feucht ist, da sie ein leicht entzündliches Harz enthält. Aus dem Holz der Birke werden Werkzeuge, Fischreusen und Schlitten hergestellt.

Eine weitere Verwendung der Birke: Sie ist Wirt für den Chaga-Pilz. Aus den von Birkenstämmen abgeschlagenen Pilzknollen wird ein Teegetränk hergestellt. Diese Knollen sind schwarze, unregelmäßige und rissige Pilzgewächse, die sich im Birkenstamm eingenistet haben. Man hackt die Knolle mit einem Beil vom Stamm ab und zerkleinert sie in Würfel. Dann kocht man die Stücke eine halbe Stunde in Wasser. Es entsteht ein dunkelbrauner, aromatischer Sud, der gezuckert ein durchaus angenehmes Aroma hat. Zudem hilft dieses Getränk gegen menschliche Krebserkrankungen, wie wir mehrfach erfuhren, Es wirkt positiv auf das Immunsystem und hemmt das Krebswachstum. In der Tat ist die Wirkung von Chaga auf den menschlichen Organismus inzwischen medizinisch nachgewiesen: Der Sud enthält bestimmte antioxydative Enzyme, welche die sogenannten freien Radikale im Organismus bekämpfen und somit bei der Infektionsabwehr helfen und das Immunsystem stärken.

Generell haben wir auf dieser Reise viel Tee getrunken: der normale Chai ist Schwarztee, ihn gibt es zu jeder Gelegenheit, er wird immer sehr süß getrunken. Während der Bootsfahrten legten wir des Öfteren an Sandbänken an um einen Landgang zu haben. Sobald die Pause etwas länger wurde, wurde dann auch ein Feuer gemacht, Tee gekocht und eine kleine kalte Zwischenmahlzeit eingenommen, für die Weißbrot, Fisch- und Fleischkonserven, Pastete, Käse, Gurken, Schokolade, Marmelade, Mayonese und gezuckerte Dosenmilch ("sgushjennoe moloko") aufgedeckt wurden. Letztere nimmt man für Tee oder Kaffee, oder man isst sie auf Brot oder auch pur. Eine weitere Lehre von Jakov: Honig wirkt nur dann richtig, wenn man ihn ebenso pur mit dem Löffel zu sich nimmt. In Wasser bzw. Tee aufgelöst, fließt er nur durch den Körper durch, ohne seine Wirkung zu entfalten.

Sandbank
Pause auf einer der vielen Sandbänke.

Das Essen während der gesamten Bootstour war simpel, aber lecker. Es wurde größtenteils mit Flusswasser gekocht, was für uns am Anfang schon eine gewöhnungsbedürftige Sache war. Denn das Wasser war ziemlich braun und wirkte auf uns erstmal nicht gerade dafür geeignet. Auf den Sandbänken gab es auch manchmal Flächen, auf denen sich Flussschlamm abgelagert hatte. Das war eine dunkelbraune, schmierige Schicht. Der Schlamm schien ziemlich eisenhaltig zu sein, und als wir einmal im Wald an einer Quelle vorbeigingen, sahen wir, dass dieses Bächlein einen rostroten Grund hatte. Das mit Flusswasser gekochte Essen bekam jedenfalls auch ein zusätzliches Aroma dadurch und wenn man Milch in den damit zubereiteten Tee oder Kaffee goß, wurde das Ganze grau.... Aber nach kurzer Zeit hatte ich mich damit abgefunden und gewöhnte mich daran. Die Mahlzeiten waren gut und nahrhaft, und draußen in der Natur zu essen ist immer ein besonderer Genuß. Und letztendlich hatte auch niemand aus der Gruppe ernsthafte gesundheitliche Beschwerden deswegen. Wir nahmen auch Wasser- und Schlammproben mit, um sie zuhause genauer zu untersuchen, jedoch lieferte die Untersuchung keine nennenswerten Resultate.

Es gab während der Bootstour abwechselnd kalte und warme Mahlzeiten, oft Suppe mit Fisch, Konservenfleisch oder frisch gesammelten Pilzen, Nudeln, Reis oder Milchbrei. Beim Basislager wurde der Fisch auch gebacken und es gab ihn auch mal roh und gesalzen. Nur an den Trockenfisch habe ich mich nicht herangetraut, den die Einheimischen oft auch zwischendurch als Snack knabberten. Zu trinken gab es immer Tee und Früchtekompott.

Tisch
Esstisch im Basislager.

Während wir gemächlich auf dem Fluss unterwegs waren, unterhielten wir uns im Boot mit Gitarre- und Kartenspielen, Knabbereien und Deutsch-Russisch-Kursen. Insgesamt steuerten wir drei verschiedene Lagerplätze an, zum Einen das Basislager, dann einen schönen Lagerplatz in der Nähe des zuvor bereits erwähnten heiligen Baumes, den wir besuchten. Dieser Platz war oben auf einem sandigen Steilufer gelegen. Der Boden war schön eben, trocken, sandig und von weichen Flechten bedeckt - ein optimaler Zeltplatz. Hier bauten wir unsere Kleinzelte auf, so dass wir immer zu zweit oder zu dritt schliefen. Wie jeden Abend gab es Gitarrenmusik und Gesang am Lagerfeuer.

Lager
Lagerplatz am Steilufer.

Der dritte Lagerplatz lag noch weiter flussaufwärts, dort ist die Landschaft etwas hügeliger - hier bauten wir die Zelte auf einem Hang auf, der dicht mit Büschen bewachsen war. Kochstelle und Zeltplatz waren hier ein Stück voneinander entfernt, das Kochfeuer war unten am Flussufer und das Lagerfeuer oben auf einem Hügel. Insgesamt ein nicht ganz so optimaler Platz, zudem hatte es hier besonders viele Mücken und am Abend regnete es (was dann wiederum gut gegen die Mücken war...). Hier lagen wir abends bei Nieselregen unter einer Zeltplane auf Rentierfellen am Lagerfeuer und hörten russischen Geschichten zu, die die Ältesten erzählten.

Mit dem Wetter hatten wir insgesamt Glück: recht wenig Regen, es war meist trocken, aber oft kühl. Die Temperaturschwankungen waren auffällig: Von gemütlichen 18 °C in der Sonne bis 0 °C in einer Nacht war alles dabei.

Von diesem Lager aus fuhren wir am darauffolgenden Tag noch ein kurzes Stück (ca. 5 km) weiter den Fluss hinauf, bis wir den obersten Punkt unserer Bootsreise erreichten: die Stadt Verchnekasymskij, was soviel wie "oberes Kazym" bedeutet. Hier gingen wir an Land und machten einen Spaziergang in die Stadt. Es war eine Siedlung, in der Arbeiter der örtlichen Erdgasindustrie lebten. Ganz in der Nähe sollte auch ein großes Gasförderstätte sein, jedoch bekamen wir diese aus Zeitmangel nicht zu Gesicht. Dafür aber Gasleitungen an den Straßen und eine Filiale der Gazprom-Bank. Man konnte erkennen, dass die Rohstoffe des Bodens das Leben in dieser Stadt lebendig hielten.

Das ist nicht bei allen Dörfern und kleinen Städten Sibiriens der Fall. Oft sind sie als Siedlungen zu Zeiten der Sowjetunion entstanden und sind seit 1989 wieder wie vom Zentrum abgeschnitten. Früher kamen viele Russen wegen der höheren Löhne nach Sibirien. Der russische Staat ist heute jedoch mit den Siedlungen und den Menschen nicht mehr in dem Maße verbunden, wie es einmal der Fall war. Die Folge ist, dass sich das menschliche Leben an der Peripherie Russlands in vielen Siedlungen Sibiriens nur noch langsam weiterentwickelt, scheinbar stillsteht, oder verkümmert. Nicht jedoch in Verchnekasymskij. Die Stadt hat vermutlich 5000-8000 Einwohner, wir sahen ein großes Rathaus, mehrstöckige Häuser, Bushaltestellen, zwei orthodoxe Kirchen, eine Sporthalle und einen Festsaal, eine Schule und einen neu gebauten Kindergarten. Und mehrere Geschäfte. In einem solchen kauften wir uns Trinkwasser, ein paar Lebensmittel und Leckereien, danach gingen wir wieder zum Fluss und fuhren zum Zeltplatz zurück. Von dort aus machten wir vor dem Mittagessen noch eine kurze Tour zu dem höchsten Hügel der Umgebung: ca. 40 Meter über dem Fluss hat man dort einen sehr schönen Blick über die Region.

Huegel
Panoramablick vom höchsten Hügel.

Danach gab es Mittagessen, die Zelte wurden abgebaut und wir machten uns auf den Rückweg zum Basislager. Da wir jetzt mit der Strömung fuhren, waren wir deutlich schneller unterwegs und das ganze Ufer, das wir bereits gesehen hatten zog jetzt in umgekehrter Richtung an uns vorbei. Das Sommercamp, unseren allerersten Lagerplatz erreichten wir dennoch erst nach sieben oder acht Stunden mit der Dunkelheit.

Es war zwar immer recht lange hell, aber auch im Sommer steht die Sonne nur tief am Himmel. Der Sonnenuntergang zieht sich lange hin, nach 23 Uhr war der Himmel am Horizont manchmal noch rötlich vom Sonnenlicht verfärbt - und zwischen 4 und 5 Uhr am Morgen ging die Sonne schon wieder auf. Auch die Himmelsrichtung des Sonnenunterganges war interessant: Weit im Nordwesten, fast im Norden verschwand die Sonne am Horizont und kam auch nicht weit östlich von diesem Punkt wieder hoch. Zweimal sahen wir um die Sonne herum einen Halo, einen kreisrunden Polar-Regenbogen, der entsteht, wenn sich das Sonnenlicht in hohen Luftschichten in Eiskristallen bricht. Der Himmel ist im nördlichen Sibirien übrigens niedriger - zumindest wirkt es so, was auch die Einheimischen festgestellt hatten, die schon einmal weiter in den südliche Regionen gereist waren. Ob das an der Weite der Landschaft liegt oder ob tatsächlich atmosphärische Unterschiede zu anderen Breitengraden bestehen, konnten wir nicht ergründen. Aber auch auf Fotos bleibt dieser Eindruck bestehen.

Steilufer


In dieser Nacht saßen wir nach dem Abendessen noch lange am Lagerfeuer, hörten russische Lieder, aßen Kiefernkerne und gingen der Reihe nach in die urige Banja, um mal wieder richtig sauber zu werden - und keine Dusche oder Badewanne kann damit konkurrieren, eine sibirische Banja ist das ultimative Badeerlebnis!

Als Abschluss unserer Bootstour bekamen wir dann von der Natur noch zwei besondere Schauspiele geschenkt: Es wurde richtig kalt und es gab einen wolkenfreien, ganz klaren Sternenhimmel mit einer Lichterpracht, wie sie am lichtverschmutzten europäischen Himmel kaum noch zu erleben ist. Und dann gegen zwei Uhr in der Nacht: Nordlicht! Einige hatten sich bereits im Chum schlafen gelegt und standen extra noch mal auf, um dieses magische Schauspiel zu bewundern: Weiße Plasmaschleier waberten ganz langsam über den Himmel und formten sich ständig verändernde Strukturen, die die Phantasie anregten wie sonst nichts anderes.

Die tagsüber erlebte Weite und die mystische Natur und jetzt dieses Lichterwunder: Nach einer Woche in diesen Wäldern wurde das alles zu einer Traumwelt. Auf unserer Fluss- und Waldtour waren die wesentlichen Dinge des Lebens näher, leichter zu erkennen - der Kulturkontrast bei der Rückkehr nach Deutschland nur ein paar Tage später war nicht ohne....

Felix Tietje



Dieser Text ist Teil der Reiseberichte vom Westsibirien-Austauschprojekt des niedersächsischen Jugendumweltnetzwerks JANUN. Weitere Informationen zum Projekt sind auf der Projektwebseite zu finden: hier.

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